25 Jahre nach der Expo – Flop oder “Geschenk des Himmels”?

War sie ein Flop? Sicher nicht. War sie ein Erfolg? Da gehen die Meinungen auseinander. Denn an Deutschlands erster und bislang einziger Weltausstellung, der Expo 2000 in Hannover, scheiden sich bis heute die Geister: “Das ist für Hannover ein Geschenk des Himmels gewesen”, sagt der Ex-Oberbürgermeister der Stadt, Herbert Schmalstieg. Dagegen meint der Bauhistoriker Sid Auffarth: “Ich hatte mir etwas mehr vorgestellt, die Bilanz ist ein bisschen mäßig.” Vor 25 Jahren, am 1. Juni 2000, wurde die Expo eröffnet.
Viel Kritik
Damals präsentierten sich mehr als 150 Länder auf dem 160 Hektar großen Gelände im Süden von Hannover. Die Expo zog zwischen dem 1. Juni und 31. Oktober 2000 18,1 Millionen Besucher an. “Mensch-Natur-Technik” hieß das Motto der Schau – das Messegelände wurde einbezogen, um Nachhaltigkeit zu sichern. Es gab aber auch viel Kritik: an mangelnder Nachnutzung, hohen Kosten und geringen Besucherzahlen.
Fest steht: Der niederländische Pavillon, das rund 40 Meter hohe geheime Wahrzeichen der Weltausstellung, verrottete in den Jahren nach der Expo 2000. Lange war der Zaun zum Grundstück des Pavillons mit Stacheldraht gesichert, auf einem Schild stand: “Betreten verboten! Lebensgefahr!” Vor einem Gebäude, an dem im Sommer vor 25 Jahren die Besucher Schlange standen, um die gestapelten Landschaften mit Blumen, Bäumen und Windrädern zu sehen.
War das Versprechen der Nachhaltigkeit “blauäugig”?
Aber tatsächlich geht es bergauf mit dem einst traurigen Relikt der Weltausstellung: Der Pavillon ist das Herzstück einer neuen Anlage mit sogenannten Mikroapartments, insgesamt 368 davon, für Studentinnen und Studenten. Auch Büros gibt es, ein Parkhaus wird gebaut. Der türkische Pavillon wiederum wird zu einem Indoor-Spielplatz umgebaut. Anderen Expo-Überbleibseln erging es schlimmer: Die Pavillons gerieten teils in Brand oder wurden abgerissen.
Ein Knackpunkt bei der Kritik an der Expo: die versprochene Nachhaltigkeit. Das Versprechen sei wohl etwas “blauäugig” gewesen, urteilt Auffarth. Man habe mit viel Mühe versucht, Lösungen zu finden – er hebt die Erschließung des Kronsbergs am Rande Hannovers mit Wohnbebauung und den Ausbau des Nahverkehrs hervor. Insgesamt aber gelte: “Es ist eine durchwachsene Leistung.” Die Expo 2000 sei eine “schöne Erfahrung” gewesen, habe Hannover aber weder bekannter gemacht noch die Menschen zusammengebracht: “Die Investitionen sind nicht gut angelegt gewesen.”
Milliarden fließen in Infrastruktur
Ex-OB Schmalstieg, der nach eigenen Worten seit 1988 für die Expo geworben hat, widerspricht vehement: Im Jahrzehnt nach der deutschen Wiedervereinigung, in dem die meiste Förderung in den Osten Deutschlands floss, profitierte Hannovers Infrastruktur demnach von einem Milliardensegen. 10 bis 15 Milliarden Mark seien insgesamt investiert worden – fast 7,7 Milliarden Euro, betont er. Die Stadt Hannover habe nur einen Bruchteil davon bezahlt, alles andere seien öffentliche und private Fördergelder gewesen, sagt der 81-Jährige. S-Bahn, Autobahnen und Flughafen seien ausgebaut worden.
“Hannover konnte sich entwickeln”, sagt Schmalstieg. Die Kritik in Sachen Nachnutzung sei “von Anfang an unberechtigt” gewesen – heute sei das Gelände voll vermarktet: “Ich habe immer gesagt, das dauert 20 Jahre.” Ziel sei bei der Nachnutzung auch gewesen, die Innenstadt nicht zu gefährden, daher sei kein großflächiger Einzelhandel zugelassen worden.
Studie zu Besucherzahlen macht “Region kirre”
Bleiben die oft kritisierten vergleichsweise niedrigen Besucherzahlen: Denn erwartet wurden damals rund 40 Millionen Besucher. Diese Zahl war jedenfalls im Umlauf, ermittelt von der Münchner Unternehmensberatung Roland Berger zu Beginn der Expo-Planungen 1994. Nur: Die Untersuchung habe die “ganze Region kirre gemacht”, sagt Schmalstieg. In der Expo-Bewerbung sei mit rund 18 Millionen Besuchern kalkuliert worden – wie es dann auch eingetreten sei. Der Fehler habe in der Erwartungshaltung gelegen, die Experten hätten sich in der Studie “völlig verkalkuliert”.
Und einige außergewöhnliche Bauten stehen noch auf dem Gelände – neben dem holländischen Pavillon: Der Expo-Wal wird als Kirche genutzt, der DJ und Produzent Mousse T. kaufte als einer der ersten Nachnutzer bereits Ende 2000 den belgischen Pavillon und baute ihn zum Peppermint Pavillon um – mit Musikstudio, einer Eventhalle, einem Restaurant und einer Plattenfirma. Das surreal anmutende Gelände sei “extremst inspirierend”, sagt er mal.
Hannover feiert das Expo-Jubiläum
Zum 25. Jahrestag jedenfalls feiert Hannover seine Expo – mit einem Festwochenende am 31. Mai und 1. Juni in dem heutigen Gewerbepark: “#Expo2000Revisited” heißt es dann, Pavillons öffnen ihre Türen, Partys, Vorträge oder Ausstellungen sind geplant – und Konzerte. Unter anderem tritt Mousse T. auf. Die Veranstalter schwärmen davon, dass das “Expo-Feeling” noch immer zu spüren sei.
Der Kunstverein Hannover wiederum lädt zum Expo-Jubiläum den britischen Künstler Jeremy Deller ein, der vor 25 Jahren einen Clown über das Gelände der Weltausstellung schlendern ließ. Deller, der 2004 den renommierten Turnerpreis erhielt, stellt eigens “Eine Ausstellung für Kinder (und andere Leute)” (bis zum 6. Juli) zusammen – mit Werken etwa von Francis AlF9s, Eva Rothschild, David Shrigley sowie Peter Fischli und David Weiss.
Zum Expo-Jubiläum wird auch eine neue Arbeit von Deller selbst präsentiert: Der Künstler habe verloren geglaubtes Dokumentationsmaterial wiedergefunden, sagt der Direktor des Kunstvereins, Christoph Platz-Gallus. Das Ergebnis: ein fast 30-minütiger Künstlerfilm.
Ideen wirken nach
Dem Expo-Museum Exposeeum bleibt allerdings nur, einen Rundgang über die Baustelle anzubieten. Erst im kommenden Jahr werde das Museum wieder öffnen, sagt Maurice Semella, der Vorsitzende des Exposeeum-Vereins. “Das ist das Ziel.” Die Ausstellung werde neu entwickelt, man sei aber noch am Anfang – jungen Menschen solle gezeigt werden, dass die Ideen von damals bis heute nachwirken. Er betont: Allein durch die Einbindung der Messe sei eine 60-prozentige Nachnutzung erreicht, das sei ein Wert, auf den keine andere Weltausstellung komme.
Was es trotz des Expo-Wals aber nicht wirklich gebe, sei ein echtes Wahrzeichen der deutschen Weltausstellung, sagt Semella: “Ein kleiner Stern, der bis heute noch strahlen würde, fehlt.”
(nen)