Knauff als Sinnbild für die Widerstandskraft

In der Anfangsphase drohte die Eintracht von Ajax überrollt zu werden. Doch die Mannschaft zeigte eine erstaunliche Resilienz – und drehte das Spiel. Ansgar Knauff steht sinnbildlich für das Frankfurter Comeback im Europacup.

Kaum zu stoppen: Ansgar Knauff spielte gegen Ajax groß auf und bereitete mit purer Willenskraft den Siegtreffer vor.
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Aus Amsterdam berichtet Julian Franzke
Der viel umjubelte 2:1-Siegtreffer in der ausverkauften Johan-Cruyff-Arena besaß Symbolcharakter. Wie sich Ansgar Knauff im intensiven Zweikampf mit Ajax-Verteidiger Youri Baas behauptete, die Linie entlang rannte und den Ball mit letzter Kraft zum heransprintenden Torschützen Ellyes Skhiri passte, zeigte all die Willenskraft, mit der sich die zuletzt arg gebeutelte Frankfurter Eintracht im Achtelfinale der Europa League zurückmeldete.
Dabei stand in der Anfangsphase zu befürchten, dass sich der negative Trend nach zuvor nur einem Sieg aus sieben Pflichtspielen fortsetzen würde. Den Innenverteidigern Tuta und Nnamdi Collins unterliefen schon in den ersten Minuten Patzer, die glücklicherweise ungestraft blieben. Bereits nach 90 Sekunden landete ein Schuss von Brian Brobbey am Pfosten. Der Ajax-Stürmer war es auch, der nach zehn Minuten zur verdienten Führung traf, weil sich Torhüter Kevin Trapp verschätzte und auch der ansonsten starke Rasmus Kristensen zu passiv blieb.
Wie eine kalte Dusche
Das Stadion bebte, die Eintracht drohte unter die Räder zu kommen. Doch der Rückstand wirkte wie eine kalte Dusche. Plötzlich war Frankfurt hellwach, agierte aufmerksam und druckvoll. “Wir haben schon im Vorfeld gesagt, dass wir bei uns bleiben müssen, egal was passiert. Wir wissen, dass Ajax eine starke Qualität hat und es auch Phasen gibt, in denen sie nach vorne kommen. Aber wir haben uns nicht aus dem Konzept bringen lassen und hatten direkt die Großchance auf den Ausgleich”, erklärt Knauff.
Nach einem feinen Spielzug über die rechte Seite tauchte der Flügelspieler in der 12. Minute urplötzlich vor dem kurz darauf verletzt ausgewechselten Remko Pasveer auf, scheiterte mit seinem Schuss aber am Ajax-Keeper. “Das war das erste Zeichen von uns: Hey, wir sind da, wir sind gefährlich. Das hat etwas mit dem Gegner gemacht. Wir blieben dran, hatten wieder und wieder Durchbrüche über diese Seite und haben dann folgerichtig auch das Tor gemacht. Wir konnten die starke Phase für uns nutzen”, sagt Trainer Dino Toppmöller. Beim 1:1 hatte Hugo Larsson das Glück des Tüchtigen, als sein Schuss von Brobbey unhaltbar abgefälscht wurde.
Toppmöllers Plan geht auf
Unerwartet hatte sich Toppmöller für eine 4-2-3-1-Grundordnung entschieden. Der Plan ging nach der wackeligen Anfangsphase voll auf. “Wir wollten über die Flügel Druck machen und die Seiten überladen”, erklärt Knauff, “das hat sehr gut funktioniert.” Die Räume, die Ajax bot, wurden clever genutzt. Mit einer besseren Effizienz hätte die SGE die Partie schon im ersten Durchgang drehen können. Unter anderem der auf dem linken Flügel überraschend aufgebotene Jean-Matteo Bahoya kam zweimal aus vielversprechenden Positionen zum Abschluss, nachdem er sich gut durchgesetzt hatte. Die Schüsse gerieten aber nicht gefährlich genug.
In der zweiten Hälfte verflachte die Partie phasenweise, doch Frankfurt gab sich mit dem Remis nicht zufrieden. Die “Willensleistung” (Toppmöller) der in den vergangenen Wochen schwächelnden Knauff und Skhiri bescherte das 2:1. Knauff bilanziert: “In den letzten Wochen waren wir alle, auch ich persönlich, nicht zufrieden damit, was wir auf den Platz gebracht haben. Wir haben gegen starke Gegner gespielt, uns aber trotzdem mehr ausgerechnet. Nach den zwei Niederlagen haben wir eine sehr gute Reaktion gezeigt.”
Der 23-Jährige räumt ein, dass das 0:4 in München und das 1:4 gegen Leverkusen Spuren hinterließen. “Natürlich macht es etwas mit einem, wenn man zweimal hoch verliert. Wir wollten zeigen, dass wir auch gegen eine Top-Mannschaft wie Ajax mithalten können. Das haben wir geschafft. Das gibt uns Selbstvertrauen für die kommenden Wochen”, betont Knauff, der nicht nur wegen seines Assists großen Anteil an der Wende hatte. Der Flügelspieler attackierte die Hausherren immer wieder vorbildlich, was ein Grund dafür war, dass Amsterdam über weite Strecken nicht sein Spiel aufziehen konnte.
Sieg als Initialzündung?
Ob der Sieg in Amsterdam eine Initialzündung für den weiteren Saisonverlauf war, wird man erst im Rückspiegel erkennen. Aber der Auftritt könnte ein Schlüsselmoment gewesen sein. “Es war psychologisch mit Sicherheit wichtig, in diesem Stadion zu bestehen”, glaubt Toppmöller und bekräftigt: “Die Reaktion meiner Mannschaft war fantastisch.” Knauff berichtet von einer “extremen Motivation”, die schon vor dem Anpfiff geherrscht habe: “Ein K.-o.-Spiel in der Europa League, ein riesiges Stadion, Top-Atmosphäre – da hat jeder automatisch richtig Bock.”
Das spiegelte sich auch in der Verteidigungsmentalität des Teams wider, die auch Toppmöller lobend erwähnte. “Es ging schon auch um Resilienz”, meint der Coach, “die Verteidigungsaktionen waren richtig gut. Mit vielen Tacklings haben wir im letzten Moment einen Gegner abgegrätscht.” Als Sinnbild für den großen Kampf stand auch Linksverteidiger Arthur Theate, der in vielen Situationen gut antizipierte und Situationen bereinigte.
Theates Kampf erinnert an Hinteregger
Mit seiner kompromisslosen Art in den Zweikämpfen erinnerte er ein wenig an Martin Hinteregger, der 2021/22 auf dem Weg ins Europa-League-Finale ein ums andere Mal über sich hinauswuchs und die gegnerischen Stürmer an sich zerschellen ließ. Allerdings ist Theate ein anderer Spielertyp, fußballerisch stärker und – wie auch Kristensen – eine echte Führungspersönlichkeit. Das war “Hinti” trotz seines Kämpferherz’ nicht.
Bei aller Freude und Erleichterung ordneten die Verantwortlichen den Sieg bodenständig ein. “Keiner fliegt aus dem Stadion heraus, weil wir gewonnen haben. Wir können das sehr gut einschätzen. Es ist erst Halbzeit, mit einem sehr guten Ergebnis und einer Leistung, auf der wir aufbauen können”, sagt Toppmöller. Krösche ergänzt: “Das ist eine gute Ausgangsposition, aber mehr nicht. Es wird ein sehr enges Rückspiel.”
Zuvor gastiert Union Berlin im Waldstadion. Gegen den Abstiegskandidaten wird Frankfurt einen ähnlich beherzten Auftritt brauchen, damit sich die positive Stimmung nach dem Ausrufezeichen in Amsterdam nicht gleich wieder verflüchtigt.