Glasfaser: Gutachter bringt fixes Abschaltdatum für Kupfernetze ins Spiel

Für ein “fixes und für den deutschen Markt realistisches Abschaltdatum” aller Kupferleitungen plädiert ein Gutachten zu einem “Leitbild 2030” für den Wettbewerb im Festnetzmarkt. Das ermögliche “diskriminierungsfreie und kundenzentrierte Kupfer-Glasfaser-Migration”, was für das Gedeihen des Telekommunikationsmarktes in Deutschland unerlässlich sei. Auftraggeber des Gutachtens ist der Branchenverband VATM (Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten), Autor ist Achim Wambach, Präsident des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Im VATM haben sich jene Netzbetreiber zusammengeschlossen, mit dem Ex-Monopolist Deutsche Telekom in Wettbewerb stehen.

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Dank Regulierung haben die Mitbewerber Zugang zum Kupfernetz der Deutschen Telekom. Das soll “Wettbewerbsverzerrungen verhindern”, erläutert Wambach. Dieses Prinzip müsse auch für die Kupfer-Glasfaser-Migration gelten: Ähnlich gut ausgebaute Glasfasernetze sollten zu identischen Abschaltverhalten führen. Dieses Prinzip müsse unabhängig davon gelten, wer die Leitungen gelegt habe. Andernfalls bestehe Gefahr, “dass durch strategisches Abschaltverhalten die Anreize zum Glasfaserausbau der Wettbewerber reduziert werden”. Auf jeden Fall müssten “wettbewerbssichernde Vorleistungen” angeboten werden, auf denen Konkurrenten der Telekom eigene Angebote aufbauen können.

Eine vollständige Kupfer-Glasfaser-Migration bis 2030, wie es sich die EU-Kommission trotz Kritik vorstelle, scheine in Deutschland “fast nicht zu schaffen”, führt der Forscher aus. Die Telekom habe insbesondere dort einen Anreiz, ihre Kupfernetze zügig abzuschalten, wo sie selbst Glasfaser verlegt habe. Dies habe aus ihrer Sicht den zusätzlichen Vorteil, durch Lock-in-Effekte große Teile ihres ausgedehnten Bestandskundenstammes auf eigene Produkte migrieren zu können. Je nach Ausgestaltung der neuen Vorleistungsprodukte dürfte die Telekom auch Endkunden hinzugewinnen, “wenn sich Vorleistungsnachfrager des Kupfernetzes aus der Region zurückziehen oder weniger attraktive Endkundenprodukte auf Basis” neuer Vertragsbedingungen anböten.

Weiter fordert der Gutachter, eine Verdrängung von Wettbewerbern durch missbräuchlichen Überbau von Glasfaser zu vermeiden. Ein dominantes Unternehmen im Glasfasermarkt könne den Anreiz haben, den Eintritt von Konkurrenten auch “durch verlustbringende Maßnahmen zu behindern”. Der Ausbau erfolge dann langsamer, Wettbewerb werde reduziert. Als Abhilfe schlägt Warmbach vor, die Telekom dazu zu verpflichten, für einen angemessenen Zeitraum “sanktionsbewehrte Ausbaupläne” vorzulegen. Ergänzend könne ein “Moratorium für den Überbau in Regionen mit wenig Haushalten” dazukommen. Telekom-Herausforderer rufen seit Langem nach Maßnahmen gegen ausgemachtes Rosinenpicken des Platzhirschen.

Die befürchteten wettbewerblichen Verzerrungen durch missbräuchlichen Doppelausbau und diskriminierende Kupfer-Glas-Migration wären der Analyse zufolge “erheblich geringer, wenn ausbauende Glasfaser-Netzbetreiber frühzeitig eine hohe Auslastung erreichen können”. Neben offenem Netzzugang (Open Access) und Anbietervielfalt auf den Netzen wäre für deren höhere Auslastung “auch eine nachfragegetriebene Förderung in Form von diskriminierungsfrei ausgestalteten Voucher-Programmen” hilfreich. Open Access allein sei aber kein Wundermittel: “Regulierung wird dann notwendig, wenn freiwillige Angebote auf dem Vorleistungsmarkt nicht vorhanden sind und der Wettbewerb dadurch ausgebremst wird.” Eine Reduktion der Auflagen für die Telekom müssten daher kritisch überprüft werden. VATM-Geschäftsführer Frederic Ufer appellierte angesichts der Ergebnisse an die neue Bundesregierung, die ordnungspolitischen Empfehlungen rasch umzusetzen und sich von Klientelpolitik und Scheinwettbewerb zu distanzieren.


(ds)

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