Bundesregierung: Erneute Kehrtwende bei Vorratsdatenspeicherung

Nachdem am Montag die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann überraschend bekannt gegeben hatte, dass die Bundesregierung sich für die Einführung einer IP-Speicherpflicht ausspreche, hat die Bundesregierung über die Silvestertage nun doch wieder Beratungsbedarf entdeckt. Das gab der zweite stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner am Mittag in Berlin bekannt.

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Die Bundesregierung beabsichtige “eine gute Lösung”, sagte Büchner. Die Gespräche der Bundesregierung seien jedoch “offenkundig nicht abgeschlossen”. Er sehe darin auch keinen Widerspruch zu vorherigen Aussagen. Die allerdings waren eindeutig: “Die Position ist, dass wir eine rechtssichere Speicherpflicht von IP-Adressen brauchen.” Der Koalitionsvertrag von 2021 sah keine Pflichtspeicherung vor, die eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung bedeuten würde. Stattdessen sollte “rechtssicher, anlassbezogen und durch richterlichen Beschluss gespeichert werden können.”

Büchners heutige Äußerungen sind damit die Verkündung einer erneuten Kehrtwende: “Es geht um die rechtssichere Speicherpflicht von IP-Adressen, die im Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus essenziell ist und inzwischen vom Europäischen Gerichtshof nicht nur für zulässig, sondern für erforderlich erklärt wurde”, erklärte Christiane Hoffmann am Montag in der Regierungspressekonferenz. Sie ist die von den Grünen benannte erste stellvertretende Regierungssprecherin. In einer weiteren E-Mail an die in Berlin tätigen Korrespondenten bekräftigte sie diese Position am Montagabend noch einmal ausdrücklich: “Die Bundesregierung wäre bereit, diese einzuführen.”

Zu diesem Zeitpunkt war dies auch die in Regierungskreisen getroffene Vereinbarung. Allerdings war diese nicht mit den Fraktionen der Regierungsparteien im Bundestag und auch nicht mit allen Ministerien abgesprochen, wie heise online aus mehreren, voneinander unabhängigen Quellen erfuhr. Nach dem Erscheinen der Meldung bei heise online am Montag wurde über den Jahreswechsel erneuter Beratungsbedarf angemeldet, der in der heutigen Feststellung des zweiten stellvertretenden Regierungssprechers Büchner mündete, dass die Bundesregierung nun keine abgeschlossene Position habe.

Zuständiger Chefverhandler für die Grünen in strittigen Kabinettsangelegenheiten ist deren Kanzlerkandidat Robert Habeck, Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister. Das Vorratsdatenspeicherungs-Thema ressortiert gemäß Koalitionsvertrag im Bundesjustizministerium, für das nach dem Ausscheiden der FDP mit Volker Wissing ein Liberaler, nunmehr ohne Parteibuch, verantwortlich zeichnet. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte sich klar für eine IP-Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. Doch Bundeskanzler Olaf Scholz (ebenfalls SPD) hatte im vergangenen April kurz vor Verkündung des HADOPI-Urteils zur IP-Speicherung durch den Europäischen Gerichtshof mit dem damaligen Justizminister Marco Buschmann (FDP) vereinbart, dass die Koalition stattdessen den Quick-Freeze-Gesetzesvorschlag umsetzen wolle – an der Innenministerin Faeser vorbei und im Rahmen dessen, was der Koalitionsvertrag vorsieht. Die SPD sollte dafür im Tausch die Verlängerung der sogenannten Mietpreisbremse bekommen. Doch beim Ausscheiden der FDP aus der Bundesregierung im November war Quick-Freeze noch nicht durch den Bundestag gebracht.


(nen)

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