Ohne Abstimmung: UN nimmt umstrittene Cybercrime-Konvention an

Weitgehend unbemerkt von der Weihnachten feiernden Öffentlichkeit nahm die UN-Generalversammlung an Heiligabend das heftig umstrittene Abkommen der Vereinten Nationen zum Kampf gegen Cyberkriminalität an. Die Resolution mit dem Übereinkommen billigten die 193 Mitglieder des Gremiums ohne Abstimmung. Das war möglich geworden, nachdem ein extra eingerichteter UN-Ausschuss den Entwurf für die Konvention im August einstimmig befürwortet hatte.

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Die Initiative war jahrelang umkämpft, nachdem Russland und China 2017 den Startschuss dafür gegeben hatten. Zu den größten Streitpunkten gehörten bis zuletzt vor allem Vorschriften für den grenzüberschreitenden Zugriff auf personenbezogene Daten etwa in Cloud-Diensten (E-Evidence), zu Auslieferungsverfahren, zur Rechtshilfe und zur Haftung von Diensteanbietern. Bürgerrechtler und Tech-Konzerne liefen jahrelang Sturm gegen das Vorhaben. Sie kritisierten auch das Ergebnis trotz erreichter Korrekturen als “Überwachungsvertrag”, der zu Repressionszwecken eingesetzt werden könne.

“Dieses Abkommen ist eine Gefahr für die Privatsphäre, den Journalismus, die IT-Sicherheit und die Meinungsfreiheit”, monierte Philippe (Pipo) Burger, Co-Vizepräsident der Piratenpartei Schweiz, nach dem Beschluss an Silvester. Sein Mitstreiter Pasqual Fouquet rügte, einen solch weitreichenden Überwachungspakt während der Weihnachtspause durchzuwinken, sei “an Niedertracht gegenüber der Demokratie und Grundrechten kaum zu überbieten”. Die völkerrechtliche Übereinkunft sieht der Piratenpartei zufolge weitgehende Auflagen zum Ausspähen von Nutzern in Echtzeit und zum Datenaustausch für die Mitgliedsstaaten vor, “während es den Schutz und den Stellenwert der Menschenrechte weltweit schwächt”.

Die US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) und ihre Partner erinnerten Mitte Dezember noch einmal daran, dass der Vertrag “unbegrenzte Befugnisse zur Beweiserhebung für Verbrechen einräumt, die wenig Bezug zu Cyberkriminalität haben”. Zugleich enthalte die Konvention nur “minimale Sicherheitsvorkehrungen und Beschränkungen”. Bezeichnend seien “beunruhigende Bestimmungen und Auslassungen, die nicht mit internationalen Menschenrechtsstandards vereinbar sind”. Diese überließen das Umsetzen von Schutzmaßnahmen dem Ermessen der Mitgliedstaaten. Viele darunter wiesen eine schlechte Bilanz in Bezug auf Menschenrechte auf. Sie hätten nationale Gesetze, die die Privatsphäre nicht schützten, aber etwa die freie Meinungsäußerung kriminalisierten.

Von der US-Regierung und dem Auswärtigen Amt hierzulande war zuletzt zu hören, dass man sich für die feste Verankerung von Menschenrechtsstandards und Garantien eingesetzt habe. Die Gefahr einer missbräuchlichen Anwendung sei dadurch deutlich kleiner geworden. Die USA betonten, sie seien entschlossen, Missbrauch durch nationale Gesetze und Instrumente zur Cyberkriminalität zu verhindern, mit denen etwa Journalisten und Aktivisten ins Visier genommen würden. Kritiker halten das für ein leeres Versprechen.

Philémon Yang, Präsident der UN-Generalversammlung, betonte die Bedeutung des neuen Übereinkommens: “Wir leben in einer digitalen Welt, in der Informations- und Kommunikationstechnologien ein enormes Potenzial für die Entwicklung von Gesellschaften haben, aber auch die potenzielle Bedrohung durch Cyberkriminalität erhöhen.” Mit der Annahme der Konvention hätten die Mitgliedstaaten die Werkzeuge an der Hand, “um die internationale Zusammenarbeit bei der Prävention und Bekämpfung von Cyberkriminalität zu stärken und Menschen und ihre Rechte online zu schützen”. Das Abkommen wird in den nächsten Monaten im Rahmen einer offiziellen Zeremonie in Hanoi (Vietnam) zur Unterzeichnung aufgelegt. Es tritt 90 Tage nach der Ratifizierung durch den 40. Staat in Kraft.


(nen)

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