YouTube-Auto-Dubbing: Robotische Übersetzung nervt User und ist nicht abdrehbar

Die Stimme klingt wie aus dem Blecheimer: Wer aktuell von einer deutschen IP-Adresse aus immer mehr YouTube-Videos aufruft, hört automatisch nicht mehr die Originaltonspur, sondern eine computergenerierte Synchronisation. Das Feature wurde bereits vor mehreren Jahren eingeführt, war aber lange nicht die Default-Einstellung. Seit Dezember ist es jedoch auf hunderttausenden Kanälen aktiv. Nicht erst seit dieser Zeit gibt es auch Klagen darüber, denn viele User beherrschen die Sprache (insbesondere Englisch), in der ein Video original vertont wurde. Und auch wenn sie es nicht tun, sollte ihnen die Möglichkeit gelassen werden, selbst zu entscheiden. Doch genau das ist standardmäßig nicht möglich: Es gibt aus Nutzersicht keinen zentralen Schalter, der das sogenannte Auto-Dubbing dauerhaft deaktiviert. Weder wird die Sprach- oder Ortseinstellung der YouTube-Oberfläche als Merkmal verwendet, noch die Sprache des Betriebssystems. Google scheint sich ganz an den IP-basierten Ortsdaten zu orientieren, die dem Unternehmen über den Provider des Nutzers vorliegen.

Auch wer für aktuell knapp 13 Euro ein Premium-Abo bei Youtube abgeschlossen hat, das Werbung ausblendet, kann Auto-Dubbing nicht abschalten. Es gibt in der Oberfläche bislang keine Einstellung dafür. Einzig los werden kann man die automatische Synchronisation, indem man bei jedem neu aufgerufenen Video auf den kleinen Hinweis samt Icon unterhalb des Videotitels achtet: Steht dort Auto-Dubbing, muss man das Video anhalten und schnell die Tonspur auf Original umschalten. Ansonsten läuft die Synchronisation einfach los. Manche Nutzer berichten, bei ihnen reiche ein einmaliges Umschalten auf die originale Tonspur, damit die Auswahl “sticky” bleibt, also beim nächsten Video das Auto-Dubbing nicht wieder von vorne losgeht. In unseren Tests war das allerdings nicht nachvollziehbar.

Die von YouTube verwendeten Sprachgeneratoren klingen extrem robotisch, werden teilweise auf das 1,5-fache der Originalgeschwindigkeit beschleunigt, was sie noch unangenehmer machen. Die KI kann dabei immerhin zwischen Mann und Frau unterscheiden, doch beide Stimmen sind von ähnlich minderwertiger Qualität. Es verwundert, dass YouTube und seine Mutterfirma Google derart schlechte künstliche Stimmen und Übersetzungssysteme einsetzen – ist der Internet-Konzern in der Forschung doch schon viel weiter, bietet etwa bei seinem Produkte NotebookLM extrem lebensechte Podcast-Moderatoren aus der KI-Konserve. Es gibt zudem längst signifikant bessere KI-Sprachgeneratoren für YouTube-Kreative, die sich sogar an den Originalstimmen orientieren – HeyGen oder DupDub machen es beispielsweise äußerst einfach, eine entsprechende Audiospur zu generieren. Auch ElevenLabs als Veteran im Markt der KI-Sprachgeneratoren bietet eine signifikant höhere Qualität und schafft dies mit nur wenigen Sekunden Audio, während YouTube ganze Videos zur Verfügung stehen, um Stimmen zu generieren.

Hinzu kommt, dass das Auto-Dubbing auch bei der integrierten Übersetzung gelegentlich daneben liegt. Die gebildeten Sätze wirken oft steif und es kommt auch zu Fehlübersetzungen. Von diesen bekommt der Zuschauer allerdings nichts mit, denn die automatische Transkribierung für die Untertitel nutzt das, was vom Auto-Dubbing ausgespuckt wird. Wer als YouTube-Kreativer betroffen ist, sollte die Übersetzungen also mindestens einmal durchhören, bevor sie oder er sie online lässt. YouTube hatte zwischenzeitlich eine automatische Umfrage unter Nutzern gestartet, wie die Funktion gefällt – was das Ergebnis war, ist unklar. Auf Reddit und in den Google-Foren beklagen sich Nutzer schon seit Monaten, doch eine Reaktion seitens Google, die Funktion zumindest abdrehbar zu machen, erfolgte bislang nicht.

Die Einzigen, die die Nutzer vor den schlechten Synchronisationen schützen können, sind übrigens die YouTube-Kreativen selbst: Sie haben nämlich die Möglichkeit, das Auto-Dubbing abzuschalten beziehungsweise nicht automatisch über ihre Videos laufen zu lassen. Das machen aber erstaunlich viele nicht – entweder aus Unkenntnis über die Qualität oder auch, weil sie hoffen, dass sie so mehr User finden, die die von ihnen verwendete Sprache nicht verstehen und dann eben trotzdem dranbleiben.

YouTube beschreibt in einem Hilfsdokument in seinem Supportbereich, wie Kreative die Funktion abschalten können. “Die automatische Synchronisierung trägt dazu bei, dass Informationen weltweit zugänglicher werden, auch wenn nicht alle Videos erfolgreich oder genau synchronisiert werden können. Da Synchronisationen automatisch erstellt werden, können sie aufgrund von Aussprachefehlern, Akzenten, Dialekten oder Hintergrundgeräuschen im Originalvideo Fehler enthalten”, schreibt YouTube selbst dazu lapidar und rät dann, dass “Sie oder jemand, der die Zielsprache versteht”, das Auto-Dubbing am besten vorab durchhört, um sicherzustellen, dass es keine Fehler enthält. Momentan werden neben Deutsch und Englisch auch Französisch, Italienisch, Spanisch und Portugiesisch als Auto-Dubbing-Sprache (jeweils in beide Richtungen) unterstützt – hinzu kommen, momentan als experimentell gekennzeichnet, auch noch Japanisch, Hindi und Indonesisch. Es ist davon auszugehen, dass die Übersetzungen in diesen drei Sprachen noch qualitativ schlechter sind als die deutsche Version.

YouTube-Auto-Dubbing: Wenn dieser Schriftzug samt Icon auftaucht, kann man nur schnell anhalten und umschalten.

(Bild: Screenshout YouTube)

Für YouTube ist das Auto-Dubbing auch auf Seiten der Kreativen die Standardeinstellung: “Diese Funktion ist standardmäßig aktiviert. Wenn Sie ein neues Video hochladen, werden automatisch Synchronisationen erstellt. Diese Synchronisationen werden automatisch für nicht experimentelle Sprachen veröffentlicht.” Kreative, die die Funktion deaktivieren wollen, können dies kanalweit in YouTube Studio tun – über die Standardeinstellungen für Uploads und die erweiterten Einstellungen. Es ist auch möglich, das Auto-Dubbing vor jeder Veröffentlichung zu prüfen – respektive sich daran erinnern zu lassen, dies zu tun, bevor ein Video freigegeben wird. Über YouTube Studio kann man Synchronisationen zudem nachträglich löschen. Neben dem Auto-Dubbing setzt YouTube auch vermehrt auf automatisch aktivierte übersetzte Untertitel. Auch hier gibt es keine Schalter, der die Standardeinstellung aus Zuschauersicht festlegt: Man muss sie stets erneut wegklicken beziehungsweise umschalten.


(bsc)

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